EU-Sanktionen gegen Syrien sofort aufheben!

»Sanktionen treffen Millionen Syrer«

Hamadia Street in Homs.

Bomben und Finanzen für Zerstörung der Infrastruktur – Sanktionen gegen den Wiederaufbau (Straßenzug in Homs)

Die Bundesregierung ist durch die Unterstützung des Embargos führend am Krieg gegen Syrien beteiligt. Ein Gespräch mit Bernd Duschner

Interview: Karin Leukefeld

Sie haben einen Appell an die Bundeskanzlerin initiiert, mit dem Sie fordern, das »Aushungern des syrischen Volkes« durch Wirtschaftssanktionen zu beenden. Was erhoffen Sie sich von dem Aufruf?

Eine breite Mobilisierung der Friedensbewegung, aller Menschen mit Verantwortungs- und Gerechtigkeitsgefühl. Jeder weiß, dass in Syrien seit vier Jahren ein blutiger, mörderischer Krieg herrscht. Doch wenige wissen, dass die Bundesregierung an diesem Krieg führend beteiligt ist. Gemeinsam mit den USA, den anderen EU-Ländern und den Staaten der Arabischen Liga hat sie seit 2011 ein sorgfältig abgestimmtes Embargo gegen Syrien verhängt, das das Ziel hat, die Ökonomie lahmzulegen. Auslandsguthaben wurden eingefroren, Importe aus Syrien verboten. Dem Land wurde jede Möglichkeit genommen, notwendige Güter einzukaufen. Millionen Menschen haben Arbeit und Einkommen verloren.

Seit vier Jahren bestehen die Sanktionen und wurden gerade vom EU-Parlament um ein weiteres Jahr verlängert und verschärft. Warum sollte die Bundesregierung von diesem Kurs abweichen?

Wenn es uns gelingt, der Bevölkerung deutlich zu machen, dass die Bundesregierung mithilft, ein ganzes Volk auszuhungern, nur um einen von ihr gewünschten Regime-Change durchzusetzen, wird sie das nicht tolerieren. Wir müssen darüber informieren, Leserbriefe schreiben, unsere Abgeordneten mit der Forderung nach Aufhebung des Embargos konfrontieren. Es wäre ein entscheidender Schritt zur Beendigung des Blutbades in Syrien, wenn Deutschland sich an diesem Krieg nicht mehr beteiligt.

Wer unterstützt den Appell?

Bekannte Persönlichkeiten aus der Politik wie der frühere Planungschef im Kanzleramt Albrecht Müller (SPD), der frühere Staatssekretär Willy Wimmer (CDU), eine Reihe von Bundestagsabgeordneten der Linken, Vertreter der Friedensbewegung, Theologen, Schriftsteller, Publizisten, Wissenschaftler und viele, viele einfache und aktive Bürger. Es werden immer mehr. Die Aufklärung über die »Sanktionen« und ihre Auswirkungen ist auch notwendig, um ausländerfeindlicher Hetze gegen die Flüchtlinge entgegenzuwirken.

Die syrische Regierung hatte kürzlich Besuch von neofaschistischen EU-Abgeordneten, die sich in Damaskus ebenfalls für die Aufhebung der Sanktionen eingesetzt haben. Unterstützen Sie mit dem Aufruf nicht doch die Falschen?

Meine Unterstützung gehört der syrischen Bevölkerung. Bereits zur Jahreswende 2011/12 ging ich mit dem Aufruf »Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargo beenden!« in die Öffentlichkeit. Mit ausländerfeindlichen und rassistischen Gruppen habe ich nichts zu tun. Die NPD, deren Führungsorgane bekanntlich vom Verfassungsschutz durchsetzt sind, wird benutzt, um die Solidaritätsbewegung mit der syrischen Bevölkerung und ihre Forderungen zu diskreditieren. Das sollte uns nicht verwundern und abschrecken, sondern bestärken, das Aushungern des syrischen Volkes konsequent anzuprangern.

Ihr Verein engagiert sich auch für Menschen in Syrien. Wie funktioniert das, wenn Sanktionen bestehen? Wie hilft Ihre Initiative?

Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Unterstützung der bei uns lebenden Asylbewerber, wenn es um ihr Bleiberecht, ihre Unterkunft, ihre Versorgung, ihre weiteren Perspektiven geht. Dabei bittet man uns immer wieder auch um Hilfe für Verwandte, die noch in Syrien leben. Aktuell versuchen wir, für ein schwerkrankes Kind die Einreise und Operation in Deutschland zu organisieren.

Syrien erlebt derzeit einen »Brain-Drain«, die gut ausgebildete Elite, die Mittelschicht geht. In den letzten zwei Jahren haben allein 2.000 Ärzte Syrien verlassen, obwohl sie dort dringend gebraucht werden. Ist die Aufnahme von Flüchtlingen die richtige Antwort?

Die Flüchtlinge aus Syrien, die im Gegensatz zur breiten Masse des Landes noch die Mittel und Möglichkeiten haben, in die BRD zu kommen, sind sehr häufig hochqualifiziert. Die Bundesregierung weiß das und verstärkt diesen »Brain-Drain« bewusst, indem sie deren Asylverfahren zu Lasten der anderen Flüchtlinge, die beispielsweise aus Afghanistan, Eritrea oder Somalia kommen, deutlich beschleunigt. Sie ermöglicht ihnen schnell Zugang zu Integrationskursen und damit zu Arbeitsplätzen. Bei der Familienzusammenführung sind sie privilegiert. Ich würde mir diese Bedingungen für alle Asylbewerber wünschen. Es ist uneingeschränkt richtig, Menschen, die vor dem Krieg flüchten, aufzunehmen. Wichtiger aber ist es, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben und die Finanzierung und Bewaffnung von Kampf- und Terrorgruppen zu unterbinden, damit die Menschen nicht mehr aus Syrien flüchten müssen.


Wortlaut und Unterstützung des Appells »Das Aushungern des syrischen Volkes muss beendet werden«: http://www.freundschaft-mit-valjevo.de/wordpress/

Der Verein „Freundschaft mit Valjevo eV“ gründete sich  angesichts des völkerrechtswiderigen NATO-Krieges gegen Jugoslawien 1999 in Pfaffenhofen a.d. Ilm. Die Bundeswehr war führend an diesem Krieg beteiligt. Valjevo ist eine 100 000 Einwohner Stadt bei Belgrad und leidet noch heute unter den Folgen des Krieges.

http://www.freundschaft-mit-valjevo.de/wordpress/

(Interview entnommen: Junge Welt, 13. Juni 2015)

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